Was passiert in der Lunge wenn wir den Patienten auf den Bauch drehen ?

Pathophysiologische Grundlagen

 
In aufrechter Körperhaltung ist der Druck im Pleuraspalt in den oberen Lungenarealen (apikal) am stärksten negativ und nimmt nach basal (untere Lungenareale) durch das Eigengewicht der Lunge zu (Pleuradruckgradient).  Der transpulmonale Druck ist demnach in  den apikalen Lungenarealen am größten und nimmt kontinuierlich basalwärts ab.
Dadurch wird
in den unteren Lungenabschnitten ein höherer Druck auf die Alveolen ausgeübt als auf die in den oberen Lungenabschnitten. Das heißt die Alveolen werden hier stärker komprimiert und sind deshalb in ihrem Durchmesser kleiner. Somit ist die Ventilation in den oberen Lungenabschnitten besser.

Es ist ein bestimmter transpulmonaler Druck notwendig um die Bronchiolen und Alveolen offen zu halten, wird dieser Wert unterschritten kommt es zum Bronchiolen- und Alveolarkollaps und es bilden sich Atelektasen.
 
Der Blutdruck im Lungenkreislauf und der Druck in den Alveolen (Alveolardruck) bestimmen den Durchmesser der Lungenkapillaren. Physiologisch nimmt die Lungenperfusion dadurch von oben nach unten zu.
 Der Patient im akuten Lungenversagen   

In Rückenlage lastet der größte Druck auf den dorsalen (dem Rücken zugewandten) Lungeneinheiten. Je flüssigkeitsreicher die Lungeneinheiten sind, desto höher ist auch der hydrostatische Druck in den dorsobasalen Lungenarealen. Durch die Kompression verlieren die Alveolen und Bronchiolen noch ihren letzten Luftanteil und es entsteht eine Atelektase. Aufgrund der Gravitation sind diese Lungenareale noch gut durchblutet, sodass niedrige Ventilations-/Perfusionsverhältnisse entstehen. Es liegt also ein intrapulmonaler Rechts-Links-Shunt vor.

Oftmals sind die Patienten im Lungenversagen maschinell beatmet.
Der künstliche Luftweg und die Beatmung führen zussätzlich zu typischen Veränderunden im respiratorischen System.

Die Beatmung führt zu einer inspiratorischen Erhöhung des intrathorakalen Drucks (Druck zwischen Lungengewebe und Thoraxwand) in den gut belüfteten, ventralen (zum Brustkorp zugewandten) Lungenarealen. Das führt zu einer Verminderung der regionalen Durchblutung.
Die Folgen sind lokal erhöhte Ventilations-/ Perfusionsverhältnisse, das heißt eine Zunahme der Totraumventilation mit Verschlechterung des pulmonalen Gasaustausches.

Der Patient in Bauchlage

Nun haben wir den Patienten in Bauchlage gebracht. Die Bauchlagerung führt zu einer Verringerung des Pleuradruckgradienten und somit zu einer Homogenisierung der Belüftung und der pulmonalen Durchblutung (Reduktion des Ventilations- /Perfusions-Missverhältnisses). Darüber hinaus verbessert sich durch die Bauchlage die Atemmechanik, die Dynamik des Zwerchfells wird gesteigert und die Wiedereröffnung dorsobasaler Lungenareale wird begünstigt. Dadurch reduziert sich die intrapulmonale Shuntfraktion. Zwar bilden sich nach einiger Zeit im ventralen Lungenbereich in der Bauchlage Atelektasen, die aber weniger dramatisch sind und sich nach Umlagerung problemlos wiedereröffnen. Wenn der Patient korrekt gedreht wurde, liegt das Abdomen frei. Dadurch reduziert sich der intraabdominelle Druck und die Mobilität vom Zwerchfell verbessert sich.
Schematische Darstellung der Atemgasverteilung in der Lunge Rückenlage vs Bauchlage