ARDS

Das "Acute Respiratory Distress Syndrome"

Das akute Atemnotsyndrom des Erwachsenen ("Adult Respiratory Distress Syndrom" = ARDS) wurde erstmals 1967 von Ashbaugh et al. bei einem akutem Lungenversagen beschrieben. Er wählte diesen Namen auf Grund der Ähnlichkeit des klinischen Bildes mit dem Atemnotsyndrom des Frühge-borenen. Durch eine Primäererkrankung entsteht eine entzündliche Reaktion 12 bis 72 Stunden nach Einwirkung verschiedenster auslösender Faktoren. Einheitlich sind folgende pathologische Befunde:

  • akuter Beginn
  • diffuse bilaterale Infiltrate im Thoraxröntgenbild
  • Oxygenierungsindex (n. Horrowitz ) pO2/FIO2<200 mmHg
  • deutlich reduzierte Compliance
  • Lungenkapillarverschlußdruck (PCWP, Wedge Druck) <18mmHg oder kein Anhalt für ein kardiogenes Lungenödem
Alte Definition

1994 versuchte die "American-European Consensus Conference on ARDS" eine Definitionsbestimmung um das ARDS von dem Begriff ARI (akute respiratorische Insuffizienz), bzw. ALI (acute lung injury) abzugrenzen:

Krankheitsbild

Zeitfaktor bis zum Einsetzen des BildesOxygenierungThorax-Röntgen-Bild"Wedge" - Druck zum Zeit-punkt des ARDS-Entwicklung
A L Ischnell

PaO2 / FIO2 <= 300 unabhängig von der PEEP-Höhe

auf dem frontalen Thoraxbild sind bilaterale Infiltrate sichtbar

<= 18 mm Hg, falls PA-Katheter oder keine klinische Anzeichen einer Links-Herz-Hypertonie

A R D Sschnell

PaO2 / FIO2 <= 200 unabhängig von der PEEP-Höhe

auf dem frontalen Thoraxbild sind bilaterale Infiltrate sichtbar

<= 18 mm Hg, falls PA-Katheter oder keine klinische Anzeichen einer Links-Herz-Hyperton


                                            Neue Definition                          

18 Jahre nach der letzten Überarbeitung hat eine europäisch-amerikanische Konsensuskonferenz ( European Society of Intensive Care Medicine, Amarican Thoracic Society, Society of Crirical Care Medicine) in diesem Jahr (2012) die Definition der ARDS aktualisiert (sogenannte Berlin-Definition des akuten Lungenversagens). Sie unterscheidet nicht mehr zwei sondern drei Schweregrade des ARDS, abhängig von der Schwere der Hypoxämie und unter der Berücksichtigung der Respiratoreinstellung:

  • schweres ARDS bei einem Quotienten von arteriellem Sauerstoffpartialdruck (PaO2)/inspiratorischer Sauerstoffkonzentration (FIO2) ≤ 100 mmHg, bei einem positiven endexpiratorischen Druck (PEEP) ≥ 5 cm H2O
  • moderates ARDS bei PaO2/FIO2 = 101–200 mmHg, bei PEEP ≥ 5 cm H2O und
  • mildes ARDS bei PaO2/FIO2 = 201–300 mmHg, bei PEEP ≥ 5 cm H2O                                                                                                
Die Bezeichnung akute Lungenschädigung (Acute Lung Injury, ALI) für die mildere Verlaufsform entfällt in der neuen Definition. Im Gegensatz zur bisherigen Definition korreliert die neue besser mit dem Mortalitätsrisiko der Patienten: Es beträgt 27 Prozent bei mildem ARDS, 32 Prozent bei moderatem und 45 Prozent bei schwerem ARDS. (Dtsch Arztebl 2012; 109(35-36): A-1736 / B-1406 / C-1386)

Diagnose

  • Die Anamnese ist wichtig um den oder die auslösenden Faktoren ausmachen zu können (z.B. Schock, Aspiration, Sepsis, Massivtransfusionen, schweres Trauma, Inhalation von Reizgasen)?


Die pulmonale Schädigung wird wie folgt unterteilt :


Die direkte pulmonale Schädigungen
  • Aspiration von Mageninhalt/Magensäure
  • Aspiration von Salz-/Süßwasser ("Beinaheertrinken")
  • Inhalation toxischer Gase (z.B.  Rauchgas )
  • Parapneumonisches ARDS im Gefolge von Pneumonien, bzw. zusätzliche Schädigung der Lunge über das Ausmaß der eigentlichen Pneumonie hinaus

Die indirekte pulmonale Schädigung
  • Sepsis
  • Polytrauma , Verbrennung
  • Schock ("Schocklunge")
  • Massentransfusion
  • Akute Pankreatitis
  • Verbrauchskoagulopathie

Weitere, für die Diagnose wichtige, Kriterien

  • In der BGA zeigt sich zu Beginn eine respiratorische Partialinsuffizienz (Hypoxämie), im weiteren Verlauf der ARDS kommt es dann auch zum Versagen der Atempumpe, also auch zur Hyperkapnie  (resp. Globalinsuffizienz)
  • Das nicht kardiale Lungenödem, Interstetielles Lungenoedem
  • pO2< 50mmHg trotz FIO2=0.6 (60%) oder Oxygenierungsindex < 200 mmHG
  • Thoraxröntgen: Besteht eine diffuse, beidseitig auftretende, alveoläre Infiltration, ohne Pleuraergüsse und Veränderung der Herzgröße ?  (DD: Pneumonie häufig einseitig, re>li).
  • Verminderung der Compliance, verminderte Funktionale Residualkapazität ( sog. Babylunge )
  • Das Shuntvolumen steigt

Differenzialdiagnostisch sollte folgendes ausgeschlossen werden :
  • Linksherzinsuffizienz mit Lungenödem
  • Pneumonie (meist einseitige Verschattung)
  • Fluid lung bei Niereninsuffizienz (Kreatinin erhöht)
  • Lungenembolie (Phlebothrombose? Rechtsherzbelastung?)

Pathogenese
  • Das ARDS ist eine akute Funktionsstörung der Gasaustauschstrecke der Lunge: Kapillare - Interstitium - Alveole. Diese Funktionsstörung tritt bei vorher Lungengesunden nach unterschiedlichen Auslösern ohne spezielle Prädisposition auf.
  • Die Funktionsstörung ist unabhängig vom zentralen Atemantrieb, dem Gasfluß innerhalb der Luftwege der Lunge, des Blutflusses in den großen pulmonalen Blutgefäßen und der linksventrikulären Funktion
  • Man geht davon aus, daß im Mittelpunkt dieses Krankheitsprozesses eine Schädigung der alveolokapillären Membran steht. Diese Schädigung kann direkt oder indirekt durch die auslösenden Faktoren hervorgerufen werden
  • Es werden, unabhängig von der Schädigung, drei Phasen der ARDS unterschieden :

Die 3 Phasen der ARDS

  • 1. Exsudative Phase

Unter Einwirkung verschiedener Noxen kommt es innerhalb kürzester Zeit (Stunden) zur Schädigung des lungeneigenen Gefäßendothels (Gefäßwand) und der Alveolarepithelzellen des Typs I (Alveolarwand). Durch diese Schädigung wird die Wand zwischen Lungenbläschen und Blutbahn durchgängig für Makromoleküle (Eiweiße) und (Blut-) Zellen und vermehrter Flüßigkeit. Dadurch entwickelt sich ein eiweißreiches interstitielles (zwischen Alveole und Kapillar) Ödem. Klinisch ist dieses Stadium durch eine Hypoxämie und einer Hyperventilation (also pO2 und pCO2 runter, respiratorische Alkalose) gekennzeichnet

  • 2. Frühe proliferative Phase
Alveolarzellen des Typs II gehen zugrunde, wodurch weniger Surface Active Agent (Surfactant) gebildet wird. Weiter folgt ein Flüßigkeitsübertritt in die Alveolen (alveoläres Lungenödem). Innerhalb der Alveolen und Alveolargänge bilden sich hyaline Membranen aus. In den Kapillaren finden sich Mikrothromben. Atelektasenbildung und die Ausbildung von intrapulmonalen Shunts sind ebenfalls beschrieben. Dieses Stadium kann möglicherweise reversibel verlaufen. Klinisch kommt es zu einer respiratorischen Verschlechterung in Form von zunehmender Atemnot und einer nachvollziehbaren radiologischen Veränderung der Lunge (beidseitige fleckige, streifige Verdichtung)
  • Späte proliferative Phase

In dieser Phase wird die Lunge fibrotisch umgebaut. Die Membran zwischen Alveole und Kapillar ist bis zum 5fachen verdickt. Es kommt in Folge dessen zu einer Perfusions- und Diffusionsverschlechterung. Dieses Stadium hat häufig einen tödlichen Verlauf und ist in der Regel irreversibel. Klinisch besteht eine Globalinsuffizienz (Hypoxämie und Hyperkapnie, also pO2 runter, pCO2 rauf, respiratorische Azidose) und es kommt zu einer weiteren radiologischen Veränderung in Form von beidseitigen Verschattungen).

  Atemtherapeutische Maßnahmen

  • Atemgymnastik / Atemtherapie ( z.B. Triflow, Acapella,Flatter etc. )
  • CPAP
  • Radikale Therapie der auslösenden Faktoren
  • Flüssigkeitsentzug ( Cave: Haemodynamik,kein Ischämierisiko)
  • Lagerungstherapie ( Bauchlage 135° oder 180°)
  • Intubation und masch. Beatmung

 Zielgrößen in der Beatmungsstrategie

  • Druckkontrollierte Beatmung in der Anfangsphase
  • Spontane Atemanteile des Patienten zulassen
  • PEEP>10mbar
  • Pinsp<30mbar
  • Beatmungsmitteldruck>20-25mbar
  • Ø  PEEP-Trial : PEEP-Wert wird schrittweise erhöht bis das Atemhubvolumen nicht mehr zunimmt   

 ( Open the Lung and keep it open)

  • Low Tidalvolume: Atemhubvolumen 5-6ml/kg ( Idealgewicht )
  • Druckamplitude ca. 12mbar ( Scherkräfte )
  • Atemfrequenz 20-30/min ( evtl. >30 )
  • FiO2 nach PaO2 Wert
  • Kritische Grenze PaO2 50mmHg
  • Kritische Grenze SaO2 85%
  • Additive Spontanatmung

Therapeutische Maßnahmen / Ansätze

  • Stickstoffmonoxyd ( NO ) Inhalation ( Gefäßerweiterung )
  • Hochfrequenz-Ventilation ( oder HFOV )
  • Jetventilation
  • Applikation von Survactant
  • Bei Versagen der Therapie – Extracorporale Membranoxigenierung ( ECMO )



Patientin mit ARDS bei Pneumonie, beatmet unter ECMO-Therapie.


 Behandlungsergebnisse

  • Nach der Akutphase ist die Lungenfunktion stark eingeschränkt
  • Erholung der Lunge in den folgenden 6 Monaten
  • Nach einem Jahr Stabilisierung der Lungenfunktion
  • 80% der Betroffenen können anschl. einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen
  • Später treten oft kognitive Störungen im Leben auf (z.B. Vergesslichkeit )
  • Nach einem Jahr klagen ca. 80% der Betroffenen über eine psychische Beeinträchtigung