Tracheostoma

Handhabung und Komplikationen

Indikation 

Ursprünglich bereits vor Jahrhunderten zur Atemwegssicherung eingeführt, wird die Tracheotomie heute in der Intensivmedizin mit erheblich erweiterter Indikationsstellung durchgeführt.

Als sicherer Zugang zu den unteren Atemwegen in der Hals- Nasen- Ohrenheilkunde und der Mund und Kieferchirurgie um passagere oder dauerhafte Stenosen der oberen Atemwege zu umgehen.

  • Bei Langzeitbeatmungen auf der Intensivstation
  • Zur effizienten Atemwegsreinigung ( Bronchialtoilette ) bei Patienten die aufgrund ihrer Grunderkrankung dazu nicht in der Lage sind dies selbständig durchzuführen.
  • Zur Abdichtung der unteren Atemwege bei Patienten mit Dysphagien (Schluckstörungen) oder Aspirationsgefahr mithilfe einer blockbaren Trachealkanüle.

Verfahren
  • Chirurgische Tracheotomie

Es wird eine feste Verbindung der äußeren Haut mit der Trachealwand angelegt.Die Eröffnung der Trachea erfolgt in höhe der zweiten/dritten Trachealspange.Die Tracheostomaanlage wird im Operationssaal vorgenommen.

  • Perkutane dilatative Tracheotomie

Prinzip ist die Dilatation ( Aufdehnung ) des prätrachealen Gewebes und der vorderen Trachealwand mit nachfolgender Platzierung der Trachealkanüle. Die PDT wird auf der Intensivstation bettseitig am analgosedierten Patienten durchgeführt.                                                                                                                              

Pro und Kontra der einzelnen Techniken

  • Chirurgische Tracheotomie

Durch die stabile Verbindung der Trachealwand zur äußeren Haut wird bei entfernter Trachealkanüle das Lumen des Tracheostomas offen halten. Das erleichtert den Kanülenwechsel erheblich, zum einen durch verminderte Missempfindungen der Patienten beim Wiedereinsetzen der neuen Kanüle, zum anderen durch mehr Sicherheit für Pflegepersonal und Patienten beim Wechsel der Kanüle.

Nachteilig ist die längere Dauer des spontanen Tracheostomaverschlusses nach Dekanülement.

  • Dilatative Tracheotomie

Die postoperative Komplikationsrate ist geringer als bei der chirurgischen Tracheotomie. Zeit-, Personal- und Materialaufwand sind geringer.

Nach der Dekanülierung kommt es zu einem raschen Spontanverschluss und besseren kosmetischen Ergebnissen.Der Spontanverschluss der Trachea ist aber auch ein Nachteil bei der unbeabsichtigen Dekanülierung und kann den Wechsel der Kanüle erschweren.

Zur Stabilisierung des Gewebes nach perkutaner dilatativer Tracheotomie darf der erste Kanülenwechsel erst nach 10-14 Tagen erfolgen.

Kanülenversorgung

  • Blockbare Trachealkanüle

Diese Kanülen sind mit einem Cuff zur Abdichtung des trachealen Lumens ausgestattet. Im Handel sind verschiedene biegsame Kanülen aus unterschiedlichen Materialien und variable Cuffsysteme erhältlich. Eine Öffnung zur Expiration (Ausatmung) nach kranial ( Richtung Kopf ) ist nicht vorhanden.

Die geblockten Kanülen finden bei Beatmung und bei schwerer Aspiration Anwendung, zum einem um eine Überdruckbeatmung zu ermöglichen, zum anderen um die unteren Atemwege vor aspiriertem Speichel bzw. Sekret zu schützen.

Im beatmungsfreien Intervall ist es möglich die Kanüle zu entlocken und mit einem Sprechaufsatz zu versehen.

  • Sprechkanüle

Diese Kanülenart empfiehlt sich, wenn eine gravierende Aspiration ausgeschlossen wurde und eine Beatmungspflicht nicht vorliegt.

Die Kanülen sind vorn mit einem Sprechventil versehen, das sich bei der Inspiration öffnet und bei der Expiration verschließt, womit die Ausatmung durch eine spezielle Kanülenfensterung über den Kehlkopf gelenkt wird.

Zur Verbesserung der Pflegbarkeit sind die meisten Sprechkanülen mit einer sog. Seele ausgestattet, die separat entfernt werden kann. Zu beachten ist, dass bei tiefem Tracheostamaschacht die Fensterung der Kanüle nicht endotracheal zu liegen kommt bzw. die herkömmlichen Sprechkanülen leicht dislozieren können. Für diese Patienten werden überlange Sprechkanülen angeboten, die bei Bedarf auch individuell angefertigt werden können.

  •  Blockbare Sprechkanülen

Diese Kanülen sind sowohl als blockbare Kanüle wie als Srechkanüle nutzbar. Sinnvoll ist die Anwendung bei Patienten mit intermittierender Beatmung ohne relevante Aspiration, um im beatmungsfreien Intervall die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern. Eine gleichzeitige Nutzung beider Funktion ist nicht möglich.

  •  Platzhalter

Der Platzhalter ist nur der vorderen Trachealwand anliegend und in der Öffnung nach vorn verschließbar. Der Patient kann somit die oberen Atemwege zur Ein- und Ausatmung nutzen; die Möglichkeit der tracheobronchialen Absaugung bleibt erhalten. Für eine dauerhafte Versorgung ist dieses Vorgehen nicht geeignet, es kommt jedoch als vorübergehende Maßnahme bei Anpassung einer nichtinvasiven Maskenbeatmung oder Erprobung der Belastbarkeit der Atmung vor Dekanülement zur Anwendung. Platzhalter erfordern eine intensive Pflege der Atemwege.

                                                                                                                                                     

Komplikationen

Einige Komplikationen können zu einer erschwerten sozialen Wiedereingliederung und Versorgbarkeit im häuslichen Milieu führen bzw. ein Dekanülement auf Dauer unmöglich machen.

Zu den Frühkomplikationen zählen perioperative Gefäß- und Nervenverletzungen, Verletzungen der Schilddrüse bzw. des Ösophagus und der Trachea.

Frühkomplikationen werden oft noch im Akuthaus diagnostiziert und versorgt. Spätkomplikationen können häufig erst in den Folgeeinrichtungen bemerkt werden.

  • Infektionen

Lokale Infektionen des Tracheostomas sind häufig das Resultat permanenter Sekretexposition oder der Unverträglichkeit des Materials.

Nach konventioneller Tracheotomie treten im Vergleich zur PDT vermehrt peristomale Infektionen auf. Die Kanüle liegt im Gegensatz zur PDT nicht direkt am Tracheostoma an, sodass bei einer relevanten Dysphagie die gf. Aspirierten Bestandteile wie Speichel oder Nahrung neben der Kanüle austreten. Diese rufen dann Reizungen der peristomalen Haut hervor, z.T. auch Sekundärinfektionen der Trachealwand.

Problematisch sind auch Infektionen im Sinne von Wundheilungsstörungen.

Es ist zu beachten, das durch den Wegfall der nasopharyngealen Passage die natürliche Konditionierung ( Erwärmung und Anfeuchtung) der Atemluft fehlt. Eine künstliche Befeuchtung mit entsprechenden Vernebulndssystemen bzw. Filter ist daher zur Vermeidung einer Austrocknung der Trachealschleimhaut mit nachfolgender borkiger Tracheitis unabdingbar.

  • Instabilität des Tracheastomas 

Narbige Verziehungen, tiefe Schachtverhältnisse des Tracheostomas sowie chronische Entzündungsprozesse können ein instabiles Tracheostoma bewirken, das sich in einer Kollapsneigung des Tracheastomaeingangs oder -schachts nach dem Entfernen der Trachealkanüle zeigt. Das Wiedereinsetzen der Trachealkanüle gestaltet sich entsprechend schwierig und kann häufig nur durch Fachpersorfolgreich bewältigt werden.

  • Tracheomalazie

Entzündliche Veränderungen der Trachealwand mit Perichondritis können in eine Erweichung bis hin zu einer vollständigen Destruktion der Knorpelspangen münden. Diese führt zu einer Instabilität mit Kollaps der Trachealstruktur bei Expiration bzw. Husten. Das Hauptsymptom ist die erschwerte Expiration. Die Diagnose kann bei Spontanatmung durch eine Tracheoskopie ( ohne Trachealkanüle ) gestellt werden.

  • Granulationen

Am augenscheinlichsten sind Granulationen am Tracheostomaeingang. Ursachen sind permanente chemische/mechanische Reize. Sie können den Wechsel der Trachealkanüle erheblich erschweren und zu Blutungen bei Manipulationen führen.

In ausgeprägten Formen kann das zu Verschluss des Tracheostomas führen. Meist lassen sich diese Granulationen durch ein Anpassen der Trachealkanüle ( Größe, Material, Form ) reduzieren und häufig vollständig zurückdrängen. Eine chirurgische Abtragung ist daher möglicherweise nicht erforderlich.

Auch innerhalb der Trachea können Granulationen aus den selben Gründen auftreten, diese sind wesentlich kritischer da sie leicht übersehen werden können

  • Stenosen

Etwa 3-12% der tracheotomierten Patienten entwickeln eine signifikante Stenose, die eine Revision erfordern.

Folgende Risikofaktoren sind bekannt :

  • Stomainfektion
  • Sepsis
  • Hypotension
  • hohes Patientenalter
  • Adipositas 
  • Reflux

Stenosen können sich durch mechanische Irritation, seltenen Trachealkanülenwechsel oder auf boden einer disproportionalen Knorpelentfernung weiterentwickeln. Die Stenosenbildung findet sich meist auf einer der folgenden 4 Ebenen :

  • suprastomal
  • in Tracheostomahöhe
  • in Blockungshöhe
  • in höhe der Trachealkanülenspitze

Die Therapie erfolg chirurgisch durch Bougierung, Trachealquerresektion oder Stenteinlage. Sollte dies nicht infrage kommen, ist eine dauerhafte Kanülenpflicht die Folge.

Bei Dyspnoe ( auch erst nach Monaten ) bei Patienten nach stattgehabter Tracheotomie sollten Granulationen und Stenosen in Betracht gezogen werden. Im Fall einer Intubation oder Beatmung über eine Trachealkanüle können diese Verengungen zu ernsthaften Hindernissen führen.

  • Fistelbildung

Verletzungen der Trachea, Druckulzerationen bzw. lokal begrenzte Infektionen mit Erosion der Trachealwand bedingen die Ausbildung von Fistelgängen.

Endotracheales absaugen von Nahrungsbestandteilen, ein vermehrtes Auftreten von gastraler Luft bis zur Magenblähung, persistierende Blockungsprobleme und vermehrte Sekretion sind Symptome einer tracheoösophagealen Fistel. Die Diagnose wird endoskopisch bzw. radiologisch gestellt. Die Fistel ist meist einer chirurgischen Sanierung zugänglich.

  • Blutungen

Kleinere Blutungen können bereits durch einen Kanülenwechsel auftreten. Die lokale Anwendung von Hämostyptika oder Vasokonstringenzien ist eine therapeutische Option.

Wesentlich problematischer ist die durch eine Arrosion der A.brachiocephalica hervorgerufene lebensbedrohliche Hämorrhagie. Der Verlauf der A. brachiocephalica ist sehr variabel und tangiert die Trachea in Höhe der 4. - 9. Trachealspange.

Mechanisch hervorgerufene Druckulzerationen bzw. Nekrosen sind Ursachen einer tracheoarteriellen Fistelbildung. Erste Anzeichen hierfür sind das Absaugen von blutigem Sekret bzw. Hämopthysis.

Bei tracheotomierten Patienten mit massiven oropharyngealen Blutung sollte stets von einer Blutung des Truncus brachiocephalicus augegangen werden, bis die Diagnose widerlegt werden kann. Eine endoskopische Diagnosesicherung sollte im OP erfolgen. Digitale Kompression des Gefäßes gegen das Sternum oder die Übrblockung einer Trachealkanüle bzw. des Tubus kann den Blutverlust bis zur sofortigen operativen Defektdeckung vermindern.

  • Kanülendislokation

Durch mangelhafte Fixierung, Manipulation durch den Patienten oder Umlagerungen im Rahmen der Pflege kann die Kanüle dislozieren. Bei chirurgisch angelegtem Tracheostoma gelingt die Replatzierung meist problemlos. Bei einer PDT kann der Wiedereinsatz schwierig sein. Im Fall einer eingeschränkten Spontanatmung kann es schnell zu einer Hypoxie kommen.

Kanülendislokationen bei beatmeten Patienten können zu einem Emphysem und möglicherweise zu einem Spannungspneumothorax führen.

Im Fall einer Kanülendislokation nach PDT vor dem ersten Kanülenwechsel ist eine Intubation mit einer anschließenden Replazierung der Kanüle unter kontrollierten Bedingungen erforderlich.

Pflege

Die fachgerechte Versorgung des Tracheostomas ist unabdingbare Vorraussetzung für einen komplikationslosen Verlauf.

Ein Wechsel der Trachealkanüle alle 8-14 Tage, unabhängig vom Trachiotomiemodus, erscheint ein nach hygienischen und finanziellen Aspekten vertretbarer Kompromiss.

Sprechkanülen werden mechanisch gesäubert, desinfiziert (Herstellerangaben beachten), getrocknet und patientengebunden erneut benutzt. Um eine Verklebung der Kanülenperforation zu vermeiden, sollte dieses im optimalen Fall täglich, mindestens jedoch alle 3 Tage erfolgen.

                                                                                                                                            

Quellennachweise